Im Jahr 1888 gründete Max Winkelmann in Hamburg ein Handelsgeschäft für Farben und Lacke. Be-reits wenige Jahre später begann er mit der Herstellung eigener Lacke. Die beginnende Hochindustriali-sierung im Deutschen Reich ließ die Nachfrage nach Lacken stark ansteigen. 1893 brachte Max Win-kelmann mit „Kristallweiß“ einen bereits nach heutiger Herstellungsweise gefertigten, innovativen Lack auf den Markt, der ein großer Erfolg wurde und maßgeblich zum rasanten Aufstieg des kleinen Unter-nehmens beitrug. Weil sogar die kaiserliche Jacht „Hohenzollern“ mit dem Lack gestrichen wurde, ver-trieb man das Kristallweiß später auch erfolgreich als „Hohenzollernweiß“.

Um die Produktion ausweiten und auch das aufstrebende Ruhrgebiet mit Lacken versorgen zu können, verlegte Winkelmann sein Unternehmen 1903 nach Hiltrup, wo er ein großes Grundstück erwarb und das Unternehmen „Glasurit“ gründete. Die Entscheidung für Hiltrup fiel zum einen wegen der günstigen Infrastruktur mit Kanal und Bahnanschluss, zum anderen wegen des niedrigen Lohnniveaus im ländli-chen Münsterland. Bereits 1904 startete die Lackproduktion in Hiltrup unter dem Firmennamen „Glasu-rit“, eine Anspielung auf den glasurartigen, harten Überzug, den die Winkelmann-Lacke erzeugten. Die Ansiedlung von Glasurit prägte die Entwicklung Hiltrups als „industrialisiertes Dorf“ nachhaltig und be-günstigte die repräsentative Entwicklung der Bahnhofstraße (heute Marktallee) als neues Zentrum des Ortes, das bis dahin im „Alten Dorf“ rund um die Alte Clemenskirche lag.

In den folgenden Jahren entwickelte sich Glasurit kontinuierlich weiter. 1908 wurde es in eine Aktienge-sellschaft umgewandelt und auch der Erste Weltkrieg (1914-1918) sowie die Wirtschaftskrisen der 1920er Jahre bremsten den Erfolg des Unternehmens nicht. Anfang der 30er Jahre war Glasurit mit über 1.000 Beschäftigten die größte Lackfabrik Europas, woran der stabile Export trotz der Weltwirt-schaftskrise erheblichen Anteil hatte.  

Das Firmenemblem von Glasurit wurde zwischenzeitlich politisch bedingt ausgetauscht: Das ursprüngli-che Symbol, der Kopf eines Chinesen, hatte die damalige Faszination für das exotisch anmutende Ko-lonialreich aufgegriffen. Als Deutschland mit dem Versailler Vertrag 1919 aufgrund des verlorenen Ers-ten Weltkriegs alle Kolonien verlor, schuf man 1924 das neutralere Emblem des bunten Papageis, der bis heute existiert.

Über die Geschichte des Unternehmens in der NS-Zeit ist bis heute nur wenig bekannt. Offenbar konn-te Glasurit Rekordstände in der Produktion erreichen, vor allem wegen der aufstrebenden Rüstungsin-dustrie. In der Zwischenzeit war Max Winkelmann 1935 im Alter von 73 Jahren verstorben. Im Zweiten Weltkrieg stellte das Unternehmen in bedeutendem Umfang Tarnfarben her und erhielt als kriegswichti-ger Betrieb Zwangsarbeiter aus den Hiltruper Lagern zugewiesen. Im September 1944 und März 1945 wurde das Hiltruper Werk bei alliierten Luftangriffen schwer beschädigt. Die Laboratorien zur Forschung und Entwicklung neuer Produkte gingen dabei vollständig verloren.

Dennoch kam es zu einer schnellen Erholung nach dem Krieg: Bereits 1950 konnte der Umsatz des letzten Vorkriegsjahres wieder erreicht werden. Glasurit wurde zum Hauptlieferanten vor allem für die aufstrebende deutsche Automobilindustrie und produzierte innovative Lacke, u. a. in den 60er Jahren die ersten umweltfreundlicheren Lacke auf Wasserbasis. 1965 wurde Glasurit von der BASF übernom-men, die dadurch den Lack- und Farben-Bereich in ihr Unternehmensportfolio aufnehmen konnte und in den folgenden Jahren ausbaute. Der nun entstandene Konzern etablierte sich als einer der größten Lackhersteller der Welt mit Standorten auf allen Kontinenten. Der Standort Hiltrup ist weiterhin Stamm-werk der BASF Coatings GmbH und mit rund 2.300 Beschäftigten größter industrieller Arbeitgeber der Region.

 

Routenvorschläge für die Besichtigung der Stelen: https://geo.stadt-muenster.de/rundgang_48165/

Ein Flyer mit einer Übersicht über alle Informationsstelen und einer Karte mit den Routenvorschlägen ist im Infopunkt Hiltrup (Marktallee 38), im Hiltruper Museum (Zur Alten Feuerwache 26) sowie an weiteren Stellen in Hiltrup erhältlich.

 

Kontakt:

STADTTEIL Offensive Hiltrup e. V.
Marktallee 38
48165 Münster

Tel: 0 25 01/9 71 28 95
info@stadtteiloffensive.de
www.stadtteiloffensive.de

Hiltruper Museum e. V.
Zur Alten Feuerwache 26
48165 Münster

Tel: 0 25 01/12 05
info@hiltruper-museum.de
www.hiltruper-museum.de

 

Max Winkelmann, der Gründer der Glasurit-Werke (ca. 1914).

Max Winkelmann, der Gründer der Glasurit-Werke (ca. 1914).

Das Werksgelände aus Richtung Hiltrup-Ost (1970).

Das Werksgelände aus Richtung Hiltrup-Ost (1970).

Das Werksgelände aus Richtung der Kanalinsel (1985).

Das Werksgelände aus Richtung der Kanalinsel (1985).

Der 1904 errichtete Wasserturm auf dem Werksgelände (1999).

Der 1904 errichtete Wasserturm auf dem Werksgelände (1999).